Ich habe schon ewig nicht mehr auf meinem Blog geschrieben. Dabei gibt es so viele Themen, über die ich gerne schreiben würde. Und da das nicht ewig so weiter gehen kann, habe ich mir überlegt, dass es vielleicht ganz hilfreich ist, wenn ich darüber schreibe, warum ich nichts schreiben kann. In der Hoffnung, dadurch diese Blockade zu überwinden.
Negative Erlebnisse waren lange Zeit ganz normal für mich
Meine Schreibblockade kann ich auch ganz genau auf ein bestimmtes Ereignis zurückführen und das war eigentlich etwas total wundervolles. Ich habe nichts mehr für Akhawat geschrieben, seit ich das erste Mal ein islamisches Land besucht habe. Dazu muss man wissen, dass ich bereits über 4 Jahre zum Islam konvertiert war, ohne je ein islamisches Land gesehen zu haben. Für mich war also ein Leben als konvertierte Frau in Europa völlig normal. Alles was in diesem Zusammenhang passierte, ordnete ich als „normal“ ein.
Eine Unterhaltung ohne die Worte Kochen und Kinder zu führen, gestaltete sich als unmöglich. Die meisten Schwestern behandelten mich abfällig oder waren kaum überhaupt an einem Gespräch interessiert, was den Islam zum Thema hatte. Alles war so extrem oberflächlich. Niemand wollte mir die Bibliothek zeigen, alle fragten mich, warum ich konvertiert bin, aber niemand hatte die Geduld tatsächlich die Geschichte dahinter zu hören. Alle hofften auf eine einfache und kurze Antwort. Das Interesse an meinem Ehemann schien höher als an mir Selbst. Welche Nationalität hat er? Wie sieht eure Familienplanung aus? Wie gestaltet sich das Eheleben? Ich wollte solche persönlichen Gespräche nicht mit jemanden führen, den ich gerade kennengelernt hatte. Überhaupt wollte ich weder über meine Ehe, noch über Rezepte sprechen.
Ich war wissensdurstig und wollte über den Islam reden. Doch das wollte niemand. Alle bekundeten zwar ihr Interesse an islamischen Themen, aber dann gingen diese Gespräche nie über das oberflächliche Haram/Halal hinaus. Jede Schwester wollte sich möglichst perfekt präsentieren, doch tiefe Gespräche waren unmöglich. Da hieß es dann, dass ich nicht so viel lernen sollte, als Frau. Die Aufgabe das Wissen zu erlangen und Imam zu werden, oder dergleichen, wäre für die Männer wichtiger. Die einzige Aufgabe der Frau ist es, für Nachwuchs zu sorgen. Du verstehst das sowieso nicht. Du sollst nicht nachfragen. Wenn du Allah vertraust, dann musst du nichts hinterfragen, es ist ein schlechter Charakter Fragen zu stellen. Lies nicht soviel, dass verwirrt dich nur und so viele Bücher sind schlecht, du hast nicht das Wissen das Richtige daraus zu nehmen.
Dann die üble Nachrede, ständig das Fehler suchen bei anderen Schwestern und das Lästern über die Nicht-Muslime. Das ständige Abwerten, von Anderen. Das komplette Reduzieren auf das Äußere.
Ja nie wurde das alles auf einmal gesagt, wie ich das gerade so schreibe, aber mit der Zeit kamen viele solcher Aussagen zusammen. Langsam. Stück für Stück. Manchmal auch ganz hinterlistig, um sich Selbst oder sein Unwissen als besser hinzustellen.
Meine einzige islamische Freundin und ich, wir haben uns zurückgezogen. Wir wollten nichts mit dieser Gehässigkeit zu tun haben, die alle Energie und alles weibliche Potential im Islam im Keim erstickt. Nach dem Moschee Besuch saß ich zu Hause und habe geweint. Das war also die islamische Gemeinschaft?
Nach der Konversion kamen nur Vorwürfe und Druck.
Und es ist nicht so, dass ich auf irgendwas revolutionäres gehofft hätte, dass ich irgendwelche Neuerungen oder seltsame Ideen in den Islam einführen wollte, die vielleicht zu Recht auf Ablehnung stoßen würden. Das einzige was ich wollte, war Koran und Sunnah lernen und mich darüber austauschen. Und dann kommen manchmal Sachen die echt mega unschön und persönlich werden. Weil man vielleicht, wie ich, ein paar große Schwachpunkte hat. Und das wissen Schwestern wahnsinnig gut auszunutzen.
Was natürlich toll ist, wenn man nur Vorwürfe bekommt, obwohl gerade alles zusammen gebrochen ist. Und was für mich auch eine totale Unart ist, ist es Frauen zu stigmatisieren, und abzuwerten, die sich im Leben behaupten, weil da niemand war, der für sie gekämpft hat. Weil niemand ihnen geholfen hat, als sie Hilfe benötigt haben.
Aber wie gesagt, stufte ich das alles als ziemlich normal ein- ich kannte ja nichts anderes. Ich dachte sogar, dass ich wahrscheinlich das Problem bin, als Konvertierte einfach anders, als muslimisch sozialisierte Frauen.
Ich las von den Sahaba, fing an Hadithe zu lesen, islamische Literatur, alles was ich bekommen konnte und ich hatte keine Sorge, dass es zu viel sein konnte. Ich liebte es zu recherchieren und zu lernen und traf mich nicht mehr mit Schwestern. Stattdessen führte ich den Akhawat Blog um meine Sehnsucht nach wissensdurstigen Schwestern, in etwas Produktives zu verwandeln. Mit der Hoffnung, dass andere Schwestern, es vielleicht nützlich finden könnten. Eine Möglichkeit mich auszutauschen, ohne gleich emotionale Bindungen mit Schwestern eingehen zu müssen. Eine Art des Austausches, von dem man weniger enttäuscht werden kann.
Endlich man Selbst sein dürfen
Und dann sah ich nach Jahren ein islamisches Land. Und als ich es betrat, löste sich dieser Knoten in meiner Brust. Und ich lernte den Islam von einer ganz anderen Seite kennen. Ja vielleicht war es nicht perfekt, natürlich sind auch nicht alle Menschen in islamischen Ländern gläubig, oder nett, oder halten sich an den Islam. Aber für mich war es so ein großer Unterschied zwischen Muslimen zu sein. Besonders das Verhalten der Menschen, war hier so anders und viel freundlicher. Die Frauen machten mich hier auf eine ganz andere Art und Weise fertig: Sie waren so laut und gesellig. Auch hier wieder: Kochen und Essen, den ganzen Tag, nur etwas lauter. Aber es war ok. Dafür weniger Fehlersuche und persönliche Gespräche. Man akzeptierte meine Art zumindest. Vielleicht aber auch, weil sie nicht ganz wissen, wie sie umgehen sollen, mit der Deutschen. Ich mag es nicht, wenn es laut ist. Ich mag keine Hochzeiten und Feiern und größere Runden und versuche dem ganzen Trubel weitgehend fernzubleiben. Aber immerhin konnte ich hier den Adhan hören, wurde generell gut in der Gesellschaft aufgenommen, obwohl ich hier die einzige Ausländerin war und hatte im Alltagsleben viele schöne Erfahrungen. Viel bessere Erfahrungen, als in Europa.
So dass ich hinterher beim Schreiben total verwirrt war. Soll ich über meine Erfahrungen schreiben? Soll ich lieber weiter Artikel schreiben, wie im Lexikon, oder nichts von alle dem? Darf ich negative Erfahrungen überhaupt ansprechen?
Über negative Erlebnisse spricht man nur selten
Ich schrieb dutzende von Artikeln, aber keinen davon veröffentlichte ich. Immer schien es mir nicht mehr gut genug. Meine Gefühle und Eindrücke auszudrücken, war ein Anliegen, was ich nicht mehr gebührend umsetzen konnte. Immer wieder schrieb ich die selben Artikel. Hatte dann Sorge, dass es zu persönlich wird, oder dass ich nicht gut genug bin, eine Vorbildfunktion zu erfüllen, die man wohl automatisch zugeschrieben bekommt, wenn man in der Öffentlichkeit über den Islam schreibt. Ich wollte mich auch einfach nicht mehr mit der ganzen Nörgelei auseinander setzen. Denn wie man es auch macht, oder schreibt, ist es eh verkehrt. Da bekommt man natürlich auch hin und wieder seltsames Feedback. Und überhaupt passt es vielen Muslimen nicht, dass man überhaupt seinen Mund aufmacht als Frau und versucht etwas über den Islam zu vermitteln. Mich wundert darum auch überhaupt nicht, dass das auch kaum jemand macht. Ja auch ich zweifelte daran, ob ich überhaupt über den Islam schreiben soll, ob ich über den Islam schreiben darf. Es waren die selben Fragen, die ich mir bereits gestellt hatte, als ich angefangen hatte, für Akhawat zu schreiben. Doch dieses Mal, schien es erdrückender. Ich verzweifelte an so vielen Dingen gleichzeitig. Überhaupt hier in Europa zu leben, schien mir plötzlich eine solche große Last zu sein. Es war immer eine Last. Aber ich habe geglaubt es wäre normal. Als Konvertierte sollte doch gerade ich hier gut klarkommen. Immerhin gehöre ich hier hin? Oder nicht?
Und ich habe Allah wieder die selbe Frage gestellt, die ich früher schon einmal gestellt hatte… darf ich das? Darf oder sollte ich über den Islam schreiben? Und ich hatte irgendwie das Gefühl, dass etwas gerade falsch läuft. Und ich wusste nicht, was es war. Und ich schrieb vorsichtshalber Nichts.
Und dann passierten kurz auf einander zwei Dinge, die alles veränderten. Nachdem ich eine Dua gesprochen hatte, bekam ich aus dem Nichts heraus, ein Buch. Ein Buch in dem so viele meiner Fragen beantwortet wurden und mir klar zeigten, wie der weitere Weg aussehen würde.
Und plötzlich war mir auch klar, was die letzten Jahre schief gelaufen ist. Ich habe begonnen meinen Weg zu gehen. Ich habe angefangen zu lernen und zu schreiben. Und es zeichnete sich für mich klar der weitere Weg für mich ab. Immer wieder bekam ich kleine Zeichen, die mir den Atem raubten. Aber es war auch klar, dass es nicht einfach wird. Ich hatte Nachts Träume, die mir Angst gemacht haben. Dann waren da noch, die negativen Stimmen, die sich sowieso dagegen aussprachen.
Und dann war da dieser Gedanke in meinem Kopf: du musst diesen Weg nicht gehen. Es wäre einfacher, ihn nicht zu gehen. Du musst auch nicht über den Islam schreiben und dich mit den Menschen herumärgern. Vielleicht wäre das auch besser, als Frau. Und alle Türen schlossen sich.
Negative Erlebnisse stärken uns
Was mir klar wurde war: Negative Erlebnisse haben einen Grund. Sie sind dafür da, dass wir etwas davon lernen. Sie können Prüfungen sein, oder einfach ein Schubs in die richtige Richtung. Eine Erinnerung, dass etwas falsch läuft. Dass man nicht dort ist, wo man hingehört. Das man nicht das tut, wozu man erschaffen wurde und was für einen bestimmt ist. Negative Erlebnisse sind eine Gnade von Allah. Es liegt an uns, diese Erlebnisse in etwas Positives zu verwandeln, unseren Charakter zu stärken und daraus neue Kraft zu schöpfen. Es geht wahrscheinlich auch darum, negative Erlebnisse anzunehmen und sich nicht so sehr dagegen zu wehren. Natürlich wollen wir, dass alles immer positiv läuft, aber so funktioniert das Leben nunmal nicht. Wenn wir uns in Erinnerung rufen, welche Prüfungen und Bedrohungen die Sahaba aushalten mussten, dann erscheinen uns unsere eigenen Probleme plötzlich so unbedeutend. Außerdem hilft uns das Erleben von schweren Zeiten, eine innere Stärke aufzubauen. Kennt ihr dieses Gefühl: Wenn ihr eine wirklich schwere Situation gemeistert habt, dann denkt ihr, dass alles möglich ist und habt beim nächsten Mal eine ganz andere Herangehensweise.
Ich habe also begonnen meinen Weg zu gehen und bin dann nicht weitergegangen, so dass ich ihn fast vergessen hatte. Und nun sah ich ihn wieder klar vor mir. Und es schien scheinbar eine unsichtbare Frage in der Luft zu liegen. Bist du bereit für den nächsten Schritt?
Und ich atmete tief durch, ging tief in mich und antwortete: Ja. Und plötzlich schienen sich alle Türen wieder zu öffnen. Und Allah machte mir ein Geschenk, was ich nie wieder vergessen werde. Er zeigte mir, dass ein Leben in Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit wirklich möglich ist. Dass es einen Ort gibt, wo die Stille nichts Negatives ist. Wo man allein sein kann und sogar in Gesellschaft allein sein kann. Er zeigte mir…die Wüste. Aber das, vielleicht beim nächsten Mal.
Verletzlichkeit zulassen und in etwas Positives verwandeln
Warum ich das alles schreibe? Damit meine Schreibblockade aufhört. Und weil meine Freundin, die letzte Zeit ständig davon erzählt, wie wichtig es ist, sich auch Verletzlichkeit einzugestehen. Wie sehr uns das zusammen bringen kann, weil wir oberflächlich immer stark und perfekt sein wollen, aber in Wirklichkeit, haben wir doch alle Sachen, die uns verletzt haben. Sich darüber auszutauschen, ist eine Möglichkeit Kraft daraus zu gewinnen und andere Schwestern damit zu unterstützen.
Und wenn die ganze Welt gegen dich zu sein scheint: Das ist ok, denn Allah ist immer bei dir, egal was passiert.
Negative Erlebnisse sind gut für uns, weil wir dadurch lernen und unseren Charakter stärken können. Außerdem ist es wichtig, dass wir nie das Vertrauen und die Hoffnung in Allah verlieren. Durch schwere Situationen, kann dieses Vertrauen sogar gestärkt oder erneuert werden. Allah tut uns kein Unrecht, aber wir tuen Unrecht gegenüber uns Selbst.
Und wenn du dein Leben gerade überhaupt nicht auf die Reihe bekommst, dann bedeutet das vielleicht einfach, dass du nicht dort bist, wo du hingehörst und Allah einen ganz anderen Plan für dich hat.
Dua, die uns hilft schwere Situationen zu überwinden:
Laa ilaha illa Anta. Subhanaka. Inni kuntu minath thalimiin.
„Es gibt keinen Gott außer Dir! Preis sei Dir! Gewiß, ich gehöre zu den Ungerechten.“ (Koran 21:87)
Nach der Überlieferung eines Hadithes von Tirmidhi, spricht niemand dieses Bittgebet, ohne dass Allah ihn erhören wird. Es ist eine kraftvolle Dua, die uns besonders in negativen Situationen hilft, bei Depressionen etc.
Es ist die Dua von Yunus, welche er im Bauch des Fisches sprach und daraufhin von Allah errettet wurde.
Ich denje dieser Beitrag spricht vielen Schwestern aus der Seele! Danke.
Danke für deinen Kommentar 🙂
Ich danke dir Schwester für diesen wundervollen Text mashaAllah. Ich habe mich total wiedergefunden. Ich dachte ich wäre die einzige:) Dank dir habe ich wieder eine ganz andere Wahrnehmung von Enttäuschen, die mir Trost bereitet haben. Möge Allah taala dich beschützen und reichlich belohnen! Bildung ist was ganz wichtiges im Islam und zwar für BEIDE Geschlechter, denn ich meine von uns Frauen hängt die ganze Gesellschaft ja ab! Wir sind es, die die Nachkommenschaft erziehen. Was glaubt ihr was für einen Profit unsere Ummah durch gut gebildete, gläubige Frauen machen würde. Wir müssen zusammenhalten ya Akhawat und uns nicht gegenseitig noch traurig machen!
Danke für deine Antwort! Das hast du schön gesagt 🙂
Gleichzeitig denke ich auch, dass wir nicht den Kopf hängen lassen sollten, wenn etwas nichts so läuft, wie wir es gerne hätten, oder wie es vielleicht sein sollte. Klar, wir möchten dass Andere für uns da sind. Aber wenn es niemanden gibt, dann haben wir auch immer die Möglichkeit, selbst diese Person sein, die wir vermissen. 🙂